Renata Palekcic Pasel

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Renata Palekcic Pasel
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soft spot shots

"Wer viel denkt, und zwar sachlich denkt, vergißt leicht seine eigenen Erlebnisse, aber nicht so die Gedanken, welche durch jene hervorgerufen wurden," schrieb Friedrich Nietzsche in seiner ihm geliebten aphoristischen Weise in "Menschliches, allzu Menschliches." (1) Der alte Fritze war also der Ansicht, wer einigermaßen intelligent ist und dem Grübeln nicht abgeneigt, würde weniger das Vergangene in Erinnerung behalten, als vielmehr das, was ihr oder ihm dabei so durch den Kopf schoß.

Nietzsche war darüber hinaus überzeugt, daß die Eigenschaft sich zu erinnern, den Menschen „historisch“ mache und überhaupt erst dazu befähige, Kultur zu schaffen. Andererseits stellten aber sowohl die individuellen Erinnerungen und als auch die kollektiven Aufzeichnungen immer auch eine Last dar, welche einmal zu groß geworden, die Lebensfähigkeit eines Menschen oder gar eines ganzen Volkes hemmen würde. Wie man es also nimmt, es ist kompliziert, mit der Erinnerung.

In diesem Zusammenhang liesse sich auch die deutsche Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann heranziehen, die als kulturelles Gedächtnis „die Tradition in uns, die über Generationen, in jahrhunderte-, ja teilweise jahrtausendelanger Wiederholung gehärteten Texte, Bilder und Riten, die unser Zeit- und Geschichtsbewußtsein, unser Selbst- und Weltbild prägen“ (2) bezeichnet. Die persönliche Identität wird also von Erinnerungen, individuellen wie kollektiven, gestiftet und geformt.

Nüchtern betrachtet ist Erinnerung der entkoppelte Gedanke (an ein Ereignis), in Folge eines Ereignisses, der ein zunächst unsichtbares Eigenleben beginnt. In dem Moment, da der Gedanke sich von dem auslösenden Ereignis unabhängig macht, wird er real, hinterläßt er Spuren. Eine Technik, um den Gedanken wieder abrufbar zu machen, ist es, ihn an einen Gegenstand zu binden. Der ist zwar nicht sein Träger, aber die Voraussetzung, da der affektive Gehalt des Erinnerten durch ihn wieder präsent wird. Dies ist etwa beim Souvenir der Fall, dessen Funktion als erinnerndes Andenken bereits in der Bezeichnung explizit wird.

Das künstlerische Schaffen lebt von der Verbindung zwischen Objekt und Gedanke. Ein Kunstwerk gilt gemeinhin als gelungen, wenn sich die inhaltliche Aufladung der künstlerischen Arbeit in Umsetzung und Darstellung des Kunstwerkes selber widerspiegelt. Wenn eigenhändig ausgeführt, kann man sogar davon sprechen, daß die Ausgangsidee durch die Künstlerin gleichsam nach und nach einmassiert bzw. körperlich eingeschrieben wird. Der Gedanke ist als solcher dann vielleicht aber nicht mehr erkennbar, sondern in der Gestaltung aufgehoben, in die noch so manches andere eingegangen ist, was den Prozess begleitet hat.

Inwiefern schreibt sich also Erinnerung in Objekte, die uns umgeben, in den Körper, in das Gedächtnis von Physis und Raum? Spezifischer gefragt, inwieweit können diese Spuren, Erinnerungen, Gedanken, als erkennbare, Anteile an einem Kunstwerk wahrgenommen werden bzw. diesem anhaften. Läßt sich ein zunächst unsichtbarer Gedanke auf diesem abbilden, kann er also durch eine visuell wahrgenommene Einschreibung in die künstlerische Arbeit eingehen? Diese Fragestellung richten die Künstlerinnen an sich selbst und aneinander und untersuchen prozesshaft auf unterschiedlichen Ebenen ihre künstlerischen Übersetzungen:

Renata Palekcics wichtigstes Erfahrungsmoment und zentraler Reflexionsgegenstand ist das Reisen. Expeditionsartig in der freien Natur fremder Länder unterwegs gilt ihr Interesse geologischen Formationen und pflanzlichen Wucherungen. Die zahlreichen Eindrücke, die sie auf diesen Reisen sammelt, schlagen sich in ihrem visuellen Gedächtnis nieder, aus welchem heraus sie diese in künstlerische Arbeiten transformiert. Äußert akribisch erschafft sie über wiederkehrende Handlungen, zeichnend oder schneidend, rasterartige, verdichtete Strukturen auf und aus Papier. Über diese fortlaufende Wiederholung eines, oder mehrerer Arbeitsschritte, versetzt sie sich in einen nahezu kontemplativen Zustand, welcher ihr das wiederholte Eintauchen in zuvor Gesehenes und Erlebtes möglich macht.?In der im Künstlerhaus Faktor gezeigten Installation aus grauem Skizzenpapier hängen verschieden hohe Elemente wie organische Manifestationen im Raum. Durch unzählige, parallele Schnitte im Papier schafft Palekcic lamellenartige, an Algen oder Quallen erinnernde Erscheinungen, die sich zu einem Wald aus „Erinnerungsschlieren“ verdichten. Durchschreitet man diesen, entrückt die Welt.

Marte Kiessling spekuliert in ihren Arbeiten über die Auswirkungen der Entscheidungen, die ihre Urgrossmutter in ihrem Leben gefällt hat, auf ihre eigene, heutige Realität. Sie geht davon aus, daß diese Entschlüsse die Zukunft und das Schicksal ihrer gesamten Familie beeinflussten, bis hin zu ihren derzeitigen Arbeiten und ihrem sozialen Status als Künstlerin. Diese „Familienforschung“ trägt sich fort, und manifestiert sich in zahlreichen Video- und Audioarbeiten, die sich mit dem Thema der persönlichen Erfahrung und den weitreichenden Einflüssen der Ahnen beschäftigen. Dabei konstruiert Kiessling ein humorvolles Narrativ, welches das Rollenbild der Frau in vorherigen Jahrhunderten seziert und dessen transgenerationale Auswirkungen untersucht.
In der Ausstellung wird ihre Videoarbeit „Across China“ gezeigt, die in Ausschnitten die Reise Kiesslings Urgroßmutter Ilse Filchner im 19. Jahrhundert durch China erzählt. In einzelnen Stationen, die auf Textpassagen basieren, die den Veröffentlichungen Filchners und ihres ersten Ehemannes, einem Wissenschaftler des preußischen Militärs, entnommen sind, läßt sich die zweijährige Expedition nachverfolgen. Der Film entlarvt die Sprache und Sicht des Kolonialismus mit seinen Rassismen und Sexismen, wenn die Künstlerin die angeeigneten Texte mit Bildmaterial, das sie in persönlichen und kollektiven Archiven gefunden hat, kombiniert und Verschiebungen in Beschreibung und Abbildung entstehen.

In ihren jüngsten Textilarbeiten schichtet Sibylle Jazra mehrere Lagen Stoff übereinander und bearbeitet sie. Schnitte, Risse und Löcher im Material offenbaren verschiedene, darunter liegende Muster und Haptiken. Es entstehen reliefartige, in Struktur, Farbe und Konsistenz unterschiedliche, abstrakte Bildkompositionen. Die scheinbar willkürlich verletzten Materiallagen stellen Bezüge zu räumlichen und zeitlichen Markierungen her und referenzieren in ihrer Auflösung des Gewebes Zerstörung und Verfall. So scheint sich zum Beispiel in der Arbeit Sonnenbrenner der zentrale Kreis von innen zu zersetzen, ja er erscheint gar fast zu eruptieren. Sein Kreisrand löst sich langsam auf und das ihn einfassende Ornament des oben liegenden Textils scheint, ihn kaum noch bändigen zu können. In Miami beult und verzerrt sich die zerschnittene Oberfläche unter ihrem Eigengewicht. Das blasse, halb transparente Material wirkt wie ein zerschlissener Überwurf, der droht, das darunter liegende nach langer Zeit preiszugeben.
Über Techniken der Zerstörung wie Schneiden und Reißen greift die Künstlerin eine gesellschaftliche Stimmung auf, die mit Verschwörungstheorien und Untergangsszenerien das Ende der vorherrschenden Ordnung beschwört. Jazra verbindet in ihren Arbeiten gesellschaftliche und persönliche Kontexte zu einem Gefüge, das sich über materielle und biografische, persönliche wie kollektive Referenzen mitteilt, wenn z.B. Stoffe von illegalen Straßenverkäufern an den Stränden der spanischen Küstenregionen stammen oder gefundene Materialien Spuren des Gebrauchs aufweisen.

Janine Eggert setzt sich in ihren Arbeiten schon seit längerer Zeit mit dem Spannungsfeld zwischen reiner Funktionalität und ästhetischer Bedeutung von Formen auseinander sowie mit deren sozio-politischer Bedeutung. Dabei stellt sie seriell gefertigten Produkten, die einer bestimmten Funktionsabsicht folgen, die Transformation in handgefertigte Unikate gegenüber, die die Spuren ihrer Herstellung offenlegen. Sie schöpft für ihre Kombinationen aus Skulptur, Film und Druckgrafik aus existierenden Bildvokabularien, tradierten narrativen Strukturen und industriellen Kontexten. Die ästhetische Form selbst wird zum Inhalt des Werkes und formuliert damit einen Gegenentwurf zu Funktionszuweisungen, ökonomischen Anforderungen und Herrschaftsstrukturen, die sich in funktionalen Formen repräsentieren.
Die Künstlerin bedient sich hierbei der Logik des Strukturalismus und seinem Analogiedenken, nach dem die ästhetische Gestaltgebung und Bedeutungszuweisung eben nicht der Funktion folgt, sondern ihrer Eignung, unsere Vorstellungen und Gedanken aufzunehmen und zu repräsentieren. Janine Eggert unterzieht dafür die Objekte einer zweiten Transformation, bei der funktionale Kultur in ästhetische bedeutsame Kultur umgeformt wird. Grelle Farben und kunsthandwerklich besetzte Materialien wie Tiffany-Glas treffen auf rohes MDF, einfache Wellpappe, Styropor, Holz und Metall. In der Ausstellung „soft spot shots“ zeigt Janine Eggert eine Gruppe neuester Skulpturen, die Teil ihres Vorhabens sind, die Leitmotive, die ihr Werk seit langem begleiten, zu einem groß angelegten, skulpturalen Tableau zu vereinigen.

(Janine Eggert und Sibylle Jazra, 2018)

1) Friedrich Nietzsche: Menschliches, allzu Menschliches. Ein Buch für freie Geister, 1878-1880. Erster Band. Neuntes Hauptstück. Der Mensch mit sich allein
2) Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis. In: Derselbe: Thomas Mann und Ägypten. Mythos und Monotheismus in den Josephsromanen, Beck, München 2006